In unserer Arbeit ergänzen wir Bridges Modell oft mit dem Konzept der Heldenreise des amerikanischen Mythologen Joseph Campell. Er hat dies in seinem Buch «The Hero with a Thousands Faces» bereits im Jahr 1949 beschrieben. (Campbell, 2008) Das Geniale an der Heldenreise ist ihre Flexibilität. Eine Heldenreise kann auf fast jede Lebenssituation, egal ob klein (z.B. ein Streitgespräch) oder groß (mein Lebensweg) angewendet werden. Sie erlaubt es uns Schritte zu gehen, die noch vor uns liegen und Wege wieder (und vielleicht dieses Mal anders) zu gehen, die bereits gegangen wurden. Das Feld hält weise Positionen die neue Impulse geben und ist anpassungsfähig. Es gibt verschiedene Adaptionen und Feldmöglichkeiten. Für Karriereübergänge ist sie ein gutes Instrument, um einen Plan/eine Landkarte für den Übergang zu erstellen. Grundsätzlich gibt es zwei Bereiche auf dieser Landkarte. Das bekannte und das unbekannte Land. Das bekannte Land ist die Welt, wie sie uns geläufig ist. Wir kennen die Regeln, wir denken „es ist schon in Ordnung, so wie es ist“. Dennoch, irgendwann machen wir uns auf unsere Reise in das unbekannte Land, das für uns gänzlich neues Terrain ist.
Die verschiedenen Stationen des Wegs können Ihnen Auskunft geben über die Schritte, die Sie noch gehen werden und was Sie benötigen zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen. Wie wenden Sie diese Methode zu Hause am besten an? Legen Sie Kärtchen mit den Namen der einzelnen Stationen auf den Boden. Diese sollten groß genug sein, dass Sie selbst darauf stehen können. Suchen Sie sich einen Gegenstand[1], der für Sie steht und legen Sie ihn auf die Position, auf der Sie aus Ihrer Sicht heute stehen. Suchen Sie sich dann Symbole oder Figuren, die für alle Personen stehen, die Ihnen als Mentoren/Mentorinnen oder Widersacher/Widersacherinnen einfallen und platzieren Sie diese auf dem entsprechenden Feld. Von der Position aus, auf der Sie heute stehen, gehen Sie zunächst zurück und erkunden den Weg, der hinter Ihnen liegt. Dann gehen sie Feld für Feld den Weg nach vorne. (Messer)[2] Nehmen Sie auf jedem Feld wahr, wie es Ihnen hier geht. Was macht den nächsten Schritt aus und was brauchen Sie (an Handlung oder an Ressource) um diesen Schritt gut abzuschliessen? Gehen Sie immer auf die weiseste Instanz – das Feld Meister oder Meisterin beider Welten. Wenn Sie von dort aus zurückblicken, welche Empfehlung haben Sie an sich selbst? Was sollten Sie beachten? Wie wird die Reise ausgehen? Am Feld Widersacherinnen und Mentorinnen verweilen Sie bitte etwas länger. Schauen Sie sich in Ruhe die Symbole für die Personen auf diesem Feld an. Gehen Sie in ein Zwiegespräch mit jeder einzelnen Person. Unterstützen diese Sie auf Ihrem Weg in das unbekannte Land? Gibt es noch was zu klären, damit Sie gehen können? Wenn Sie jemand zurückhält, dann verhandeln Sie Ihre Freiheit. Sie können sich jederzeit selbst auf die Karten stellen und hineinspüren oder aber aus der Metaperspektive auf die Figuren blicken. Halten Sie in einem Tagebuch die Essenz Ihrer Erkenntnisse fest und nutzen Sie diese, um Ihren Karriereübergang von einer anderen Perspektive aus zu betrachten und zu planen. Diese Erkenntnisse zu Belohnung, der entscheidenden Prüfung und dem Meister:innenfeld können Sie gut für Ihre Visionserarbeitung nützen.
Der Alltag
Heldin und Held sind in der gewohnten Welt zu Hause. Sie leben ihre Routinen, genießen die Sicherheit der Gewohnheit. Sie kennen sich, ihre Umgebung und fühlen sich wohl. Viele nennen diesen Zustand Komfortzone. Wir sprechen auch vom «sicheren Hafen» oder von «vertrautem Terrain». Auf jeden Fall ist es ein Ort der Routine.
Der Ruf
Doch in uns gibt es eine (leise oder laute) Stimme, die uns auffordert, etwas zu ändern. Vielleicht kommt diese Stimme, der Ruf, auch durch äußere Umstände. Das Schicksal ruft. Plötzlich steht eine Alternative im Raum. Das Bestehende wird infrage gestellt. Nicht immer folgen wir dem Ruf (sofort).
Mentor:innen und Widersacher:innen
Sie sind Menschen, die uns wohlgewonnen sind, ebenso wie Menschen, die sich uns entgegenstellen. Sie helfen, stupsen, stoßen uns auf den Weg. Durch sie können wir vielleicht Unterstützung erfahren. Hier kommt es oft zu einem tiefen Dialog zwischen unseren Coachees und den gewählten Personen. Manchmal muss auch um Erlaubnis gebeten werden, sich auf den Weg machen zu dürfen. Entgegen dem verbreitenden Glauben sind es meist die Widersacher und Widersacherinnen und nicht die Mentoren und Mentorinnen, die uns in die Bewegung bringen. Sie wecken unsere Trotzmacht und ein ‘Jetzt erstrecht!’ oder ein ‘Hier kann ich nicht bleiben!’. Nutzen Sie beide Energien. Führen Sie in Gedanken ein Zwiegespräch mit allen Personen. Was wird hier gebraucht, damit Sie gut losziehen können?
Der Aufbruch
Der Aufbruch ist eine bewusste Entscheidung für etwas Neues. Ohne vielleicht zu wissen, was kommen wird, noch was genau auf uns wartet. Doch sind es die ersten wesentlichen Schritte. Jeder neue Weg beginnt mit einem ersten Schritt.
Über die Schwelle ins unbekannte Land
Wir sprechen Veränderungen aus. Es wird sichtbar. Wir übertreten eine Schwelle zu etwas Neuem. Hier ist es wichtig, dass Sie diese Schwelle auch (ab-) gehen. Wie fühlt es sich an, auf der Grenze zu gehen? Was brauche ich, um über die Schwelle zu kommen?
Die Prüfungen
Jetzt sind Sie auf neuem Terrain. Wie fühlt es sich an, hier zu sein? Kaum angekommen, tauchen die ersten Schwierigkeiten auf. Sie müssen oft viele kleine Herausforderungen meistern. Diese können sich schon wie die entscheidende Prüfung anfühlen. Und doch, sind sie erst die Vorbereitungsarbeit für die entscheidende Prüfung. Hier erleben wir das Hinfallen und Aufstehen. Versuch und lernen finden hier statt. Und wir haben auch kleine Erfolge, die uns ermutigen weiterzugehen.
Die entscheidende Prüfung
Die entscheidende Prüfung definiert unser:e Held:in meist selbst. Wie sieht sie aus? Was kann ich tun? Hier kann es auch hilfreich sein die Perspektive zu wechseln und von dem Platz der/des Meister:in beider Welten zurückzublicken. Was war die Prüfung? Was habe ich gebraucht? Was musste ich erleben oder vielleicht auch ablegen?
Die Belohnung
Die Prüfung ist bestanden. Der Zustand: atemlos und fassungslos. Es ist geschafft. Keine Heldenreise ist ohne Belohnung. Was ist das Elixier, der heilige Gral, das Geschenk aus dieser Reise? Wie auch immer die Belohnung sein mag, verdient ist verdient. Wie können Sie die Belohnung integrieren?
Die Rückkehr
Nun kehren erfolgreiche Heldinnen und Helden nach Hause zurück. Aber ist das Heimkommen? Denn das Leben ist jetzt ein anderes. Nichts ist, wie es einmal war. Die Reise hat uns verändert. Und wir haben uns in unserem Inneren verändert – unwiderruflich. Wir sind anders. Was möchten Sie im unbekannten Land lassen? Was mitnehmen? Was brauchen Sie für Ihren Rückweg?
Der Weg zurück über die Schwelle ins bekannte Land
Hier gehen wir wieder über eine Schwelle. Wie ist es diesmal? Haben wir unsere Belohnung dieses Mal mit? Brauchen Sie etwas, um über die Schwelle zu kommen?
Meister:in beider Welten
Dieser weiseste Platz im Feld erlaubt uns Impulse und Ratschläge zu bekommen. Er ist auch eine Ressource für Impulse und zur Überprüfung. Gibt es noch etwas zu tun? Wie kann ich vom Gelernten profitieren? Wie kann ich dafür Verantwortung übernehmen? Wie kann ich diese Reise integrieren?
Zurück in den (neuen) Alltag
Was ist neu und anders? Woran erkenne ich, dass ich die Schritte gegangen bin? Was kann ich tun und ausprobieren, was vorher nicht möglich war?
Wir kehren meist irgendwann an eine Art Basislager zurück.
[1] Sollten Sie Playmobil oder andere Spielfiguren zu Hause haben, diese eignen sich perfekt für die Heldenreise.
[2] Ungewöhnliches Coaching an ungewöhnlichen Orten, Barbara Messer, S. 229ff